Klarheit im Raum schaffen
Für die Schülerinnen und Schüler der HPS St.Gallen ist die räumliche Orientierung keine Selbstverständlichkeit. Was bei vielen Menschen dank Erfahrungswerten aus der Kindheit automatisch abläuft, muss bei Kindern und Jugendlichen mit kognitiven Beeinträchtigungen anhand spezieller Massnahmen laufend gefördert und erarbeitet werden. Die HPS schafft hierfür in ihrer Umgebung spezielle Nischenplätze.
Menschen mit einem gesunden Gehirn können sich in einem Raum vielfach ohne direkte Interaktion mit der Umgebung orientieren. Sie sammeln in ihren ersten Lebensjahren unzählige Spürerfahrungen, die sie abspeichern und später innerlich abrufen können. Die Kinder und Jugendlichen, die in der HPS zur Schule gehen, können diese Spürerfahrungen selber kaum erlangen. Dies erschwert ihnen in ihrem Alltag die Orientierung. Die HPS bietet erste Hilfestellung, indem sie ihre Umgebung verändert und durch Nischenplätze wichtige Informationen anbietet.
Nischenprinzip durchdringt sämtliche Räumlichkeiten der HPS
Beim Prinzip der Nischenplätze handelt es sich um einen Teilaspekt des Affolter-Modells, dessen Anwendung in dieser Konsequenz an der HPS St.Gallen schweizweit einzigartig ist. Die Suche nach gespürten Informationen umfasst zwei Aspekte. Zum einen geht es um die Interaktion des Körpers mit der Umwelt und den damit verbundenen Fragen «Wo bin ich?» und «Wo ist meine Umwelt?». Zum anderen geht es um die Interaktion in Bezug auf eine Handlung, verbunden mit der Frage «Was geschieht?». Félicie Affolter entdeckte in der Beobachtung von Kleinkindern, dass diese aktiv drei Beziehungen suchen und erkunden, um ihren Körper mit der Umwelt in Einklang zu bringen und Wissen darüber aufzubauen. Diese Beziehungen setzen sich aus einer stabilen Unterlage und mindestens zwei Begrenzungen zusammen. Die stabile Unterlage steht in direktem Zusammenhang mit der Schwerkraft, die auf den Körper wirkt und als Basisbeziehung zwischen Körper und Unterlage immer wirksam ist. Fällt die stabile Unterlage weg, gerät der Organismus in Panik. Entsprechend ist die Stabilität der Unterlage eine Grundvoraussetzung für die Orientierung. Um ein vollständiges Wissen über den Raum aufzubauen, werden zusätzliche Informationen benötigt. Diese entstehen durch seitliche und hintere bzw. vordere Begrenzungen. Alle Beziehungen zusammen schaffen Klarheit im Raum. Diese Klarheit in der Orientierung löst unmittelbare Entspannung aus und setzt Kapazitäten für Handlungen wie Schreiben, Kochen, Lesen oder Singen frei. Das Nischenprinzip durchdringt die gesamten Räumlichkeiten der HPS und umfasst Stühle, Bänke, Garderoben, Kisten oder Häuschen. Überall werden Situationen geschaffen, in denen Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen ihre Spürerfahrungen sammeln können. Die Individualanfertigungen werden in Zusammenarbeit mit der Frehner Holzbau AG aus Gais hergestellt. Teilweise arbeiten auch Oberstufenklassen der HPS aktiv daran mit. Die Konstruktionen sind einzigartig und stossen überregional auf Interesse. Die HPS St.Gallen hat diesbezüglich bereits einzelne Anfragen von ähnlichen Organisationen erhalten.
Kinder und Jugendliche sollen möglichst selbständig sein
Die Anwendung des Nischenprinzips kann grundsätzlich unabhängig von der angewendeten Methode erfolgen. Als Voraussetzung werden Spezialanfertigungen benötigt, deren Herstellung ein gewisses Know- how bei der Vermessung der optimalen Höhen, Breiten und Tiefen erfordert. Die Masse müssen so gewählt werden, dass die Kinder und Jugendlichen genügend Bewegungsfreiheit haben, von den Lehrpersonen geführt werden können und trotzdem eine begrenzende Wirkung entsteht. Das Nischenprinzip ist besonders wertvoll, wenn es darum geht, dass die Kinder und Jugendlichen selbständig funktionieren. Dies ist gleichzeitig ein Hauptförderziel der HPS St.Gallen. Nicht selten erschweren die Umweltbedingungen die Orientierung der Schülerinnen und Schüler. Gängige ergono mische Stühle haben beispielsweise gesenkte Sitzflächen, bewegliche Rücken- und keine Seitenlehnen. Garderoben und Schulzimmer sind offen und haben wenige Begrenzungen. In der HPS finden die Schülerinnen und Schüler eine Umgebung vor, die ihren Bedürfnissen entspricht und einen wichtigen Bestandteil auf dem Weg zu mehr Klarheit im Raum und möglichst grosser Autonomie darstellt.
Bedürfnisgerechte Einrichtung für möglichst viel Autonomie
Klarheit in der Orientierung ist für Kinder in der HPS elementar. Das massgezimmerte Mobiliar hilft dabei.